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Entgeltgleichheit von Männern und Frauen

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden mit Urteil vom 16. Februar 2023 (Az.: 8 AZR 450/21). 

1. Sachverhalt 

Die Arbeitnehmerin ist seit dem 1. März 2017 beim Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Das ihr arbeitsvertraglich angebotene und von ihr akzeptierte Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro brutto zuzüglich einer erfolgsabhängigen Vergütung ab dem 1. November 2017. Einem zum 1. Januar 2017 ebenfalls als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb eingestellten männlichen Kollegen bot die Beklagte auch ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro brutto an, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, das heißt für die Zeit bis zum 31. Oktober 2018, ein höheres Grundentgelt in Höhe von 4.500 Euro brutto. Der Arbeitgeber gab dieser Forderung nach und erhöhte das Grundentgelt des Arbeitnehmers, das in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 - wie auch bei der Arbeitnehmerin - 3.500 Euro betrug, ab dem 1. Juli 2018 auf 4.000 Euro brutto. Der Arbeitgeber berief sich dabei unter anderem darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. 

Zum 1. August 2018 trat beim Arbeitgeber ein Haustarifvertrag in Kraft. Dieser sah eine Überführung der Entgelte der Beschäftigten in Entgeltgruppen vor sowie eine gedeckelte Anpassung der Gehälter. Aufgrund der tarifvertraglichen Deckelungsnormen wurde das Grundentgelt der Arbeitnehmerin auf 3.620 Euro brutto, das des männlichen Kollegen jedoch auf 4.120 Euro brutto angehoben. 

Mit ihrer Klage forderte die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber die Zahlung der rückständigen Vergütungsunterschiede. Sie machte geltend, der Arbeitgeber müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit mit denselben Verantwortlichkeiten wie ihr männlicher Kollege verrichte. Dad ies eine Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts darstelle, schulde ihr der Arbeitgeber zudem eine angemessene Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro. Der Arbeitgeber wandte sich dagegen und führte an, die Vergütung des Kollegen beruhe auf den mit ihm geführten Vertragsverhandlungen im Rahmen der Vertragsfreiheit. Auch der Tarifvertrag sei geschlechtsneutral ausgestaltet. 

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision der Arbeitnehmerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ganz überwiegend Erfolg. 

II. Die Entscheidung des BAG 

Das BAG kam zum Ergebnis, der Arbeitgeber habe die Arbeitnehmerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass er ihr trotz gleicher Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt als dem Kollegen gezahlt hat. Dies begründe die Vermutung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass die Benachteiligung allein aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Vor allem könne sich der Arbeitgeber für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Auch hinsichtlich der Erhöhung des Grundentgelts des männlichen Kollegen für den Monat Juli 2018 sei es dem Arbeitgeber nicht gelungen, die Vermutung der Entgeltbenachteiligung mit der Begründung zu widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt. Das BAG gab auch dem Antrag auf Entschädigungszahlung teilweise statt und sprach der Klägerin eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in Höhe von 2.000 Euro zu. 

III. Bewertung des Zentralverbandes und Folgen der Entscheidung 

Mit dem Urteil hat das BAG Grenzen der Verhandlungsfreiheit über die Entlohnung herausgestellt. So kann die im Vergleich zu einem männlichen Arbeitnehmer geringere Entlohnung einer Kollegin bei gleicher Qualifikation, Erfahrung und auszuübender Tätigkeit nicht damit gerechtfertigt werden, dass der männliche Kollege bei den Gehaltsverhandlungen mehr Geschick bewiesen habe und deswegen eine höhere Vergütung verdiene als die Kollegin. Zwar gibt es keinen explizit normierten Anspruch auf „gleichen Lohn für gleiche Arbeit”. Insoweit können die Arbeitsvertragsparteien die Arbeitsbedingungen zwar weiterhin im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich frei vereinbaren. In Bezug auf die Entgelthöhe sind jedoch in jedem Fall die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des Entgelttransparenzgesetzes zu beachten.

 

Stand: 2. März 2023